Chancen und Nutzen nachhaltiger Beschaffung im Bildungssektor (Teil 2)
Der Bildungssektor hat eine tragende Rolle im Wandel zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung – nicht nur aufgrund seines Beschaffungsvolumens, auch wegen der hohen Notwendigkeit besonders nachhaltigkeitsrelevanter Produkte wie IT und Schreibwaren. Dazu kommt der Lehr- und Erziehungsauftrag, mit dem die richtigen Werte vermittelt werden sollten. Schon die Kleinsten können durch umweltbewusste und sozial nachhaltige Beschaffung auf der einen Seite geschützt und auf der anderen Seite sensibilisiert werden.
Recap: Öffentliche Beschaffung als wesentlicher Hebel für nachhaltige Entwicklung
Die globale Nachhaltigkeitsherausforderung, stellt wohl eine der größten Aufgaben für die Weltgemeinschaft im 21. Jahrhundert dar.[1] Sie gefährdet nicht nur Überleben und Wohlergehen der heutigen Generation, sondern betrifft insbesondere auch künftige Generationen.[2] Als kommerzieller Arm der Regierungen, der für die Auftragsvergabe von Waren, Dienstleistungen und Arbeiten zur Versorgung des Staatsapparats zuständig ist, verfügt das öffentliche Beschaffungswesen über eine erhebliche Kaufkraft.[3]
Direkter Einfluss des Bildungssektors durch Beschaffungsvolumen
Das Bildungswesen gehört zu den größten öffentlichen Einrichtungen sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern und damit zu den wichtigsten Sektoren, in denen das öffentliche Beschaffungswesen erhebliche Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben könnte.[4] Als einer der größten öffentlichen Sektoren in Bezug auf die Ausgaben[5] kann die enorme Kaufkraft des öffentlichen Bildungswesens genutzt werden, um wesentliche positive Nachhaltigkeitsergebnisse zu erzielen.
Indirekter Einfluss des Bildungssektors durch Wissensvermittlung
Durch Lehre und Forschung sowie Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung kann das Bildungssystem auch die Einstellung und das Verhalten von Schülern, Studierenden und anderen Akteuren erheblich beeinflussen. So werden Verbreitung und Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens in der Gesellschaft erleichtert.[6] Darüber hinaus gilt der Bildungssektor als großer Ressourcenverbraucher und Abfallerzeuger und kann durch Verringerung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Produkte und die Anwendung von Praktiken wie Wiederverwendung und Recycling insbesondere zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen.[7]
Hilfestellungen und Stellschrauben für nachhaltige Beschaffung im Bildungssektor
Mögliche Stellschrauben zur Verankerung von Nachhaltigkeit zeigen verschiedene Institutionen, die zur Hilfestellung Leitfäden für eine nachhaltige Beschaffung in Schulen und ähnlichen Einrichtungen entwickelt haben, wie z.B. die Fairtrade Deutschland e.V. mit der Kampagne „Faire Beschaffung an Schulen“[8], EPIZ e.V. mit dem Leitfaden „Tipps und Hinweise für einen sozial- und ökologisch verantwortlichen Einkauf an Schulen“[9], dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit dem Ratgeber „Öffentliche Beschaffung nachhaltiger Raumausstattung für Schulen“[10] oder PUSCH Praktischer Umweltschutz.[11] Auf europäischer Ebene gibt die EU-Kommission zudem Best Practice Beispiel für verschiedene Produktgruppen zur Hand, wie z.B. den Ansatz der Stadt Ludwigsburg zur „Cradle to Cradle“ basierten Beschaffung von Büromaterialen sowie Konzepte der Stadt Ghent oder dem nationalen Rahmenvertrag für Umweltpapier in Slowenien.[12] Im Rahmen der Hilfestellungen werden Empfehlungen abgegeben z.B. zur Verwendung von Recyclingpapier, Angeboten von Produkten aus fairem Handel in der Schulmensa, Organisation einer Schulbuchbörse, Einkauf fair gehandelter Fußbälle, Erstellung eines Energiesparkonzepts und die Beachtung von Langlebigkeit und Energieeffizienz bei der Anschaffung elektronischer Geräte. Bei Stiften sollte insbesondere auf recyclingfähige, umweltschonende Modelle geachtet werden, wie unlackierte Holzstifte aus nachhaltiger Forstwirtschaft, Trockentextmarker, Minenstifte oder nachfüllbare Schreibgeräte.
Praxisbeispiel auf Angebotsseite: Produkte von Legamaster und edding
Legamaster stellt sich auf den erforderlichen Wandel schon mehr und mehr ein, z.B. mit der WOODEN Serie, die Haftmagnete, Pinnadeln, Markerhalter, Whiteboardlöscher und Papierhaken aus zertifiziertem Holz aus nachhaltig und verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern umfasst; des Weiteren mit den EVOLVE Displays, die aus besonders langlebigen Komponenten bestehen und über eine Lebensdauer von 50.000 Stunden verfügen. Dabei wird 30-40% weniger Strom und mehr als 2t CO2 weniger verbraucht als bei herkömmlichen Produkten. Auch bei Whiteboards wird auf besonders lange Lebensdauer geachtet. So gibt es für Premium Produkte mit hochwertigen Spezialoberflächen 25 Jahre Garantie; die Tafel selber ist zu 99% recycelbar. Auch der sozialen Nachhaltigkeit kommt Legamaster bspw. mit „Legamaster Cares“ nach, einer Initiative durch die zuletzt Whiteboards für ein Zentrum für Hörbehinderte finanziert werden konnten.
Praxisbeispiel auf Nachfrageseite: Umsetzung in einer Münchner Grundschule
Die erfolgreiche Umsetzung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung hängt jedoch auch von den entsprechenden Kenntnissen und dem Bewusstsein der Akteure auf Bedarfs- und Einkäuferseite ab.[13] Die Grundschule in München nutzt beispielsweise bereits nachfüllbare Marker der edding EcoLine und greift bevorzugt auf nachhaltigkeitszertifizierte Produkte zurück. Zudem existiert eine Regelung zur Bevorzugung von Altpapier. So wird den Schülern Nachhaltigkeit nicht nur im Rahmen sozialer und umweltbezogener Projekte wie z.B. der kürzlich stattgefundenen Achtsamkeitswoche nähergebracht, sondern auch in der konkreten Anwendung vorgelebt. Wenn auch noch weiteres Potenzial vorhanden ist, sind die Möglichkeiten derzeit jedoch durch verschiedene Faktoren limitiert. Die Schule selbst muss sich insbesondere nach den Rahmenverträgen der Stadt München richten – die aber „schon sehr viel für die Umsetzung“ tue![14] Ein handlicheres IT-System für Bestellvorgänge wünscht sich die Schule, mit einem transparenteren Warenkatalog auch was Nachhaltigkeit betrifft. Zudem fehle insbesondere die Zeit sich intensiver mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen, ebenso wie teilweise auch die finanziellen Mittel.
Lebenszykluskosten statt Anschaffungspreis
Die Sorge oder Wahrnehmung der höheren Kosten nachhaltiger Produkte sind weit verbreitet.[15] Studien zeigen allerdings, dass bei Betrachtung der Lebenszykluskosten, also den Kosten die über die gesamte Lebensdauer des Produkts anfallen, häufig sogar niedriger ausfallen.[16] Das Öko-Institut und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin ermittelten die Umweltentlastungen und Kosten für 15 verschiedene Warengruppen.[17] Die Treibhausgase konnten in allen Fällen verringert werden (Computer 32%, Multifunktionsgeräte 47%, elektrische Energie 47%, Gewerbeabfall 3074%), ebenso wie die Kosten in den meisten Fällen (Computer 7%, Multifunktionsgeräte 6%, Kopierpapier 13%).
Fazit: Umwelt als Basis für Gesellschaft und Wirtschaft
Zudem wirken sich umweltfreundliche Materialien und Verfahren zu Oberflächenbearbeitung oder Beschichtung positiv auf die Raumluft aus. Diese wiederum beeinflusst Gesundheit, Leistungs- und Konzentrationsfähigkeiten der sich in den Räumen aufhaltenden Menschen. Gerade der sich noch in der Entwicklung befindende kindliche Organismus reagiert empfindlich auf Schadstoffe. Durch umweltfreundliche und sozial nachhaltige Produkte im Bildungssektor wird also nicht nur die Umwelt geschützt, sondern auch wirtschaftlicher gehandelt, die Gesellschaft geschützt und zu stärkerer nachhaltiger Entwicklung angeregt. Der anfänglich erforderliche Einsatz wird durch ökonomisch vorteilhafte Investitionen in nachhaltige, gesundheitlich unbedenkliche und langlebige Ausstattung belohnt – zum Wohle der Kinder, heranwachsenden und erwachsenen Nutzer.
Referenzen
DEFRA (2006). Procuring the Future- Sustainable Procurement National Action Plan: Recommendations from the Sustainable Procurement Task Force. Crown, London.
EPIZ e.V. (2015). Tipps und Hinweise für einen sozial- und ökologisch verantwortlichen Einkauf an Schulen. Berlin.
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Europäische Kommission (2023). GPP Good Practice. https://ec.europa.eu/environment/gpp/case_group_en.htm (Letzter Aufruf: 02.06.2023)
Fairtrade Deutschland e.V. (2023). Faire Beschaffung an Schulen. https://www.fairtrade-schools.de/kampagne/faire-beschaffung (Letzter Aufruf: 02.06.2023)
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